MarBiNa-Förderpreis 2024
Bakterienfressern auf der Spur: Der MarBiNa-Preis geht an die ukrainische Biochemikerin Nadiia Pozhydaieva-Weber
Ihre Forschung hilft dabei, Bakterien zu bekämpfen, gegen die kein Antibiotikum mehr wirkt. Dafür ist die Ukrainerin Dr. Nadiia Pozhydaieva-Weber nun mit dem Förderpreis für Bio- und Nanotechnologie von Stadt, Universität und Unternehmen ausgezeichnet worden. Marburg hält die Biochemikerin für eine großartige Stadt zum Forschen.
Die Viren, an denen sie forscht, sind „sehr klein, sehr süß und sehr clever“. Zu erkennen sind die Bakteriophagen erst unter dem Elektronenmikroskop. Da erinnern die zellulären Lebewesen ein wenig an Mondlandefähren - sehr großer Kopf über einem Hals mit vier bis zehn Beinen. Bakteriophagen sind „Bakterienfresser“. Schon vor mehr als 100 Jahren wurden sie gegen bakterielle Entzündungen eingesetzt. Doch weil Antibiotika schneller und unkomplizierter wirkten, gerieten sie in Vergessenheit. Aber seit immer mehr Menschen mit Antibiotika-Resistenzen kämpfen, blüht auch die Phagenforschung auf. Es gibt sogar einen regelrechten „Phagentourismus“ nach Georgien, wo viele Kranke hinfahren, um sich selbst zu behandeln, erzählt Preisträgerin Pozhydaieva-Weber.
Die Biochemikerin ist fasziniert von diesen Viren, weil sie es schaffen, „innerhalb von wenigen Minuten ihren Wirt zu infizieren und sich zu reproduzieren. Davon können wir sehr viel lernen“, sagt die 28-Jährige. In ihrer Doktorarbeit hat sie versucht, grundsätzliche Fragen zu klären: Wie schafft es die Phage, die Kontrolle über das Bakterium zu übernehmen? Wie lässt sie sich genetisch manipulieren?
stell. Vorsitzender Dr. Gert Bange während der Laudatio
Am Marburger Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie hat sie Tausende von Kulturen angelegt, um das Verhalten der Bakteriophagen zu studieren. Was passiert während der Infektion? Welche Gene sind essentiell? Nadiia Pozhydaieva-Weber gelang es dann, Einblicke in das molekulare Geschehen während der Infektion zu geben. Zudem fand sie einen Weg, die Bakteriophagen besser genetisch zu manipulieren, sodass sie gezielter verwendet werden können. Ziel ist es, eines Tages „Designer-Phagen“ als Medikamente einsetzen zu können. Die Bakterienfresser wirken im Gegensatz zu Antibiotika nämlich nur ganz spezifisch gegen jeweils bestimmte Stämme einer Bakterienart. Die Phagen müssen daher zum jeweiligen Erreger passen und individuell angepasst werden.
„Sie ist eine herausragende, unglaublich motivierte Forscherin“, sagt Prof. Katharina Höfer über ihre Doktorandin: „Und sie hat den Mut, völlig neue Richtungen einzuschlagen.“ Nadiia Pozhydaieva-Weber habe es geschafft, genetisch manipulierte Bakteriophagen auf eine neue, minimal-invasive Art und Weise herzustellen. Dadurch konnte sie auch einzelne Enzyme und ihre Verknüpfungen untersuchen und charakterisieren. Die ungewöhnliche Methode wurde zum Patent angemeldet. Dafür interessieren sich bereits Forschergruppen aus der ganzen Welt.
Award, Urkunde und Blumenstrauß für die Preisträgerin
Auch ihr Weg nach Marburg war ungewöhnlich. Die junge Forscherin stammt ursprünglich aus der Ost-Ukraine und ist in einem Dorf in der Nähe der Millionenstadt Dnipro aufgewachsen. Schon mit 16 war sie das erste Mal zum Sprachenlernen in Hilden in der Nähe von Düsseldorf. „Deutschland steht für mich für hervorragende Forschung. Ich wollte unbedingt hier studieren“, erzählt sie. Sie landete bei der Familie des damaligen Hildener Bürgermeisters, die sie später auch für die ersten zwei Jahre ihres Biochemie-Studiums in Düsseldorf aufnahm: „Ich hatte viel Glück“, sagt sie. Mithilfe von Stipendien suchte sie sich dann eine eigene Unterkunft und konnte für ein Auslandssemester ins britische Manchester reisen. Über die Biochemie sagt sie: „Ich bin angezogen von Dingen, die schwer zu begreifen sind und bei denen es noch viel zu verstehen gibt.“ Die Begeisterung für das Fach teilt sie mit ihrem Mann, den sie im Studium kennenlernte.
Nach Marburg verschlug es sie 2020 durch ihre Promotion. Lockte sie zunächst der gute Ruf des Max-Planck-Instituts, war sie schnell begeistert von der „sehr lebendigen, jungen Stadt mit den vielen liebenswerten Menschen“. Zudem schwärmt sie von der Natur ringsum. „Ich könnte mir keinen besseren Ort zum Promovieren vorstellen“, sagt sie.
Die Preisträgerin bei ihrem Vortrag
Weil sie in der Forschung bleiben möchte, zog es sie für die Post-Doc-Zeit im Sommer 2024 weiter an die niederländische Universität Delft, wo sie nun an multiresistenten Keimen forscht. Sie kann sich aber gut vorstellen, nach Marburg zurückzukehren. Auf jeden Fall will sie zurück nach Deutschland, dessen Gesundheits- und Studiensystem sie begeistert: „Deutschland ist sozial und wirtschaftlich sehr stark“, sagt die Ukrainerin.
Seit Kriegsausbruch war sie zweimal bei ihrer Familie in der Ukraine. Inzwischen ist die Front nur noch wenige Kilometer von ihrem Heimatdorf entfernt. Sie erzählt von Explosionen, Tieffliegern und Bildern wie aus einem Kriegsfilm. Die deutsche Silvester-Knallerei ist für sie seitdem schwer zu ertragen. Jeden Morgen telefoniert sie mit ihrer Familie. Nachrichten hört sie kaum.
Kraft gibt ihr die Forschung, die Arbeit an einer sinnvollen Aufgabe. Freilich seien die Bakteriophagen auch keine Wundermittel. Bakterien können auch gegen die Phagen resistent werden. „Aber ich bin da zuversichtlich“, sagt Nadiia Pozhydaieva-Weber: „Sie haben es seit vier Millionen Jahren geschafft, die Bakterien zu bekämpfen.“ (gec)
Archiv MarBiNa-Förderpreise
MarBiNa-Förderpreis 2023

Zur Ehrung des 10-jährigen Bestehens des Marburger Förderpreises gab es in 2023 gleich zwei Preisträgerinnen.
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